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Unter dem Titel »Laboratorium« zeigt EULENGASSE Martha Roslers 1977 entstandenes Video »LOSING: A CONVERSATION WITH THE PARENTS« (mit freundlicher Genehmigung der Galerie Christian Nagel, Berlin) und Vanja Vukovics Arbeit »THIS IS NOT A THOUHGT« von 2011. Die Arbeiten beider Künstlerinnen kreisen um das Spannungsfeld Individuum – Gesellschaft: welchen Bezug hat das soziale und politische Umfeld, in all seinen Facetten bis hin zur Familie, zur Selbstwahrnehmung? Wie in einem Versuchsaufbau im Labor bestimmen gesellschaftliche Ästhetik, Konvention und Normierung die Identitätsbildung des Einzelnen. Beide beziehen in kritischer, aber auch humorvoller Art Stellung zu alltäglichen Dingen des Lebens und deren Zusammenhang mit gesellschaftlichen relevanten Themen.

Mit »LOSING: A CONVERSATION WITH THE PARENTS« aus dem Jahr 1977 knüpft Martha Rosler an diverse Arbeiten, die Nahrung (z.B. als Mittel des Distinktionsgewinnes), die Zurichtung des weiblichen Körpers oder die gesellschaftliche Rolle der Frau thematisieren, an. Auf den ersten Blick scheint »LOSING« ein Gespräch mit einem trauernden Elternpaar - einer typischen Mittelschichtsfamilie -über den Verlust ihrer an Anorexie verstorbenen Tochter zu sein. Die Rechtfertigung dieses Paares und ihre gegenseitige Versicherung der eigenen Unschuld am Tod ihrer Tochter erinnern eigentümlich an Fernsehformate wie die Seifenoper, Reality TV oder »Bekenntnissendungen«, die ihrerseits den Anspruch, das »wahre Leben« zu zeigen, geltend machen. Doch schon nach einem kurzen Augenblick wird dieses Bild der »liebevollen Eltern, die immer glücklich mit ihrer Tochter waren«, brüchig. Die Eltern bemühen sich, eine Verbindung zwischen Nahrung und politischer Unterdrückung herzustellen, indem sie sich vom Thema Anorexie zur Hungerproblematik in Ländern der Dritten Welt bewegen, wo Nahrung häufig als politische Waffe eingesetzt wird. Sie stellen diese Doppelfragen von Macht und Ohnmacht nebeneinander, aber sie stellen keinen Zusammenhang her. (Quelle: http://dieregierung.uni-lueneburg.de)/Rosler zeigt zu Grunde liegende soziale Realitäten, von der Familiendynamik des Lügens und Widerspruchs bis zum Phänomen, Diät zu halten bis zum Verhungern, um dem propagierten Ideal des Frauenbildes in der modernen Gesellschaft so nahe wie möglich zu kommen.

Vanja Vukovics Arbeit »THIS IS NOT A THOUGHT« von 2011 ist plakativ und subtil, ironisch und ernsthaft zugleich, sie ist ebenso eine künstlerische Abbildung der Wirklichkeit als auch eine offensichtliche Konstruktion mit den Mitteln der Grafik. Sie stellt Fragen nach den gesellschaftlichen und individuellen Parametern, die unser Verständnis von Heimat und Identität im Zeitalter der globalen Migration bestimmen. Aber auch um das, was gesagt wird und gleichzeitig gedacht (und nicht gedacht) wird. Dabei wird der Betrachter bewusst in die Rolle des Fremden, des Anderen gesetzt, der sich mit den etablierten Strukturen – inklusive einer scheinbaren Offenheit – konfrontiert sieht. Es sind die klassischen Fragen, die Vukovic durchaus mit einem feinen Sinn für Humor plakativ in Szene setzt: Was bedeutet, sich »heimisch« zu fühlen? Was und wo ist »zu Hause«? Sind diese traditionellen, fast romantisierenden Begriffe in Zeiten der globalen Migration von Waren und Menschen überhaupt noch zeitgemäß? Konsequenterweise wird die Arbeit nicht nur in der Galerie gezeigt, sondern auch als „politisches Statement“ im öffentlichen Raum plakatiert.

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LABORATORIUM. Rosler/Vukovic
Martha Rosler, Vanja Vukovic
Kuratoren: Harald Etzemüller, Vladmir Combre de Sena